Wer soll das bezahlen?


Sie, liebe Leunaer!

„Sanierung der Alten Post in Leuna: Kostenexplosion kann Erfolg nicht bremsen“ so titelte die hiesige Lokalpresse am 06. Mai. „Trotz einer Verdoppelung der Baukosten auf 14,3 Millionen Euro ist das Projekt „Alte Post“ in Leuna ein voller Erfolg“. Und damit es alles begreifen, gleich nochmal im Text: „Die „Alte Post“ in Leuna, die durch die WWL saniert wird, ist schon jetzt ein Erfolgsmodell – auch wenn die Baukosten von geplanten rund sieben Millionen Euro auf sportliche 14,3 Millionen Euro geklettert sind“.

Wen interessieren schon die Kosten? Die WWL hat’s ja. Klotzen statt kleckern. Und erst die Fördermittel!!! Zig Millionen. Der WWL-Chef ist stolz wie Bolle. „28 von 31 Wohnungen sind bereits vermietet – und das ohne Werbemaßnahmen“.

So nun reicht es mit dem Jubel. Mehr kann man – glücklicherweise – nicht im kostenfreien mz-web lesen. Vielleicht kommen im Artikel später noch die Glückwünsche der Werktätigen und die Hochrufe auf Partei- und Staatsführung.

Sie merken, ich bin in der DDR aufgewachsen. Und daher weiß ich, wenn die Zeitung allzu sehr lobt, sollte man misstrauisch werden und das hinterfragen.

Die Kosten: 14,3 Millionen, wahrscheinlich nicht die Gesamtkosten, sondern nur die bisher angefallenen. Schließlich sind das Gebäude und das Drumherum noch eine Baustelle. Ob die Million für die schicke Dachterrasse schon eingerechnet ist oder später noch oben drauf kommt, spielt nicht die große Rolle. 1 Million. Was ist schon 1 Million. Und der Vorplatz 600.000, 700.000, 800.000?

Immerhin gab es Fördermittel – ganz genau 4.333.269,39 Euro. Wir leben in einer Bürokratie! Also exakt bitte, mit den 39 Cent.

Woher kommen die ganzen Fördermittel? Ganz einfach. Aus Leuna. 1.000.000 hat die Stadt direkt an die WWL bezahlt. Das nennt sich Eigenanteil der Kommune. Die restlichen 3,33… Millionen teilen sich Bund und Land, wobei ich nicht genau weiß, wer den einen Cent mehr bezahlt hat (39 Cent geteilt durch 2). Land und Bund reichen gelegentlich Fördermittel nach Leuna aus, schließlich holen sie sich hier jedes Jahr Millionen an Gewerbesteuern, Kreisumlage, Sonderabgabe… ab.

Wie schön, dass es der WWL so gut geht und sie 10 Millionen selbst investiert hat, aus Eigenmitteln (14,3 – 4,3 = 10). Das Geschäft mit der Vermietung lohnt sich eben. Ich bin kein WWL-Insider, der Ihnen sagen kann, wie es dort so läuft. Ich bin auch kein Mieter.

Ich bin Stadtrat. Und da höre ich Jahr für Jahr dieselbe Leier vom Wirtschaftsprüfer: schwieriges Marktumfeld, hoher Leerstand, hoher Kapitaldienst (Kreditzinsen), Sanierungsrückstau… Wir brauchen Geld von der Stadt. Und das bekommt die WWL reichlich. Da waren mal 1 Million für Balkone (2015?). Weitere 4 Millionen während der letzten Legislatur des Stadtrats, also von 2019 bis jetzt. Und schon wieder braucht die WWL Geld.

5 Millionen sollen es jetzt sein. Und zwar ganz schnell. Noch vor der Wahl. Der Bürgermeister hat wahrscheinlich Angst, dass im neuen Stadtrat nicht mehr so viele Ja-Sager sitzen werden wie im jetzigen. Also noch schnell vor der Wahl ein 5 Millionen-Geschenk an die WWL. Und, das ist ganz wichtig zu betonen, damit das Unternehmen auch in Zukunft alles für seine Mieter tut. So wie bisher.

Ich war erstaunt, dass man uns Stadträten eine Studie „… mit dem Ziel der Bestandsentwicklung und der Ertragssteigerung“ vorgelegt hat. Ein von der WWL beauftragter und von ihr bezahlter Berater hat sich die Immobilien angeschaut und ein paar Tipps gegeben, wie man das Geschäft optimieren kann. Im Prinzip ist so ein Blick von außen nichts Schlechtes.

Ich habe das Papier gelesen, viele Stadträte nicht. Und die Stadtverwaltung? Ich weiß es nicht. Entweder nicht gelesen oder ein Zeichen von neuer Offenheit. Ich habe höflich nachgefragt, ob es sich um allgemeine Empfehlungen eines Sachverständigen handelt oder um konkret festgestellte Mängel.

Da steht wortwörtlich: „Aufgebrochene Briefkästen, schlecht beschriftete Klingelanlagen und vollgestellte Treppenhäuser mit muffigen Schuhen und Möbeln, Wände, Geländer und Türen die schon seit Jahrzehnten nicht gestrichen worden sind, locken keinen Mietinteressenten ins Haus und die Bewohner müssen sich bei Besuch für ihre Wohnsituation schämen“.

Briefkästen kaputt, vermüllte Treppenhäuser, seit Jahrzehnten nicht renoviert. Es sind die ganz normalen Aufgaben einer Hausverwaltung, sich um so etwas zu kümmern. Wenn es dazu eines externen Gutachters bedarf, liegt wohl einiges im Argen.

Der Sanierungsstau ist offenbar immens. Der Gutachter beziffert den Bedarf auf 11,54 Millionen Euro (11.540.000,00 Euro), und zwar nur für die nächsten 5 Jahre, also bis 2028.

Woher kommt das Geld? Vom Staat – natürlich nicht. Es kommt von der Stadt. Die oben erwähnten 1 und dann die weiteren 4 Millionen sind schon längst weg. Jetzt braucht man ganz dringend weitere 5 Millionen.

Aber 11,5 Millionen minus 5 Millionen macht 6,5 Millionen, die da noch fehlen. Woher nehmen, wenn nicht stehlen? – beliebtes Sprichwort. Entweder die Stadt zahlt oder die Mieten werden erhöht. Natürlich nicht die Mieten der 31 Wohnungen in der Alten Post. Die müssen bei 6 Euro pro Quadratmeter bleiben. Top saniert und nur 6 Euro, kein Wunder, dass „28 von 31 Wohnungen bereits vermietet sind – und das ohne Werbemaßnahmen“.

Schade, liebe Mieter in den unsanierten Häusern mit den muffigen Treppenhäusern, dass Sie nicht zum Zuge gekommen sind.

Unsere Verwaltungsspitze möchte noch vor der Wahl, die WWL mit weiteren 5 Millionen Euro subventionieren. 5 Millionen, die für andere Dinge im Stadthaushalt fehlen. Kostenfreie Kita, kostenfreier Schulhort, kostenfreies gesundes Mittagessen für die Kinder, Kulturförderung, Straßensanierung…

Man hat es sogar schriftlich, dass es sich um Subventionen handelt, amtlich korrekt heißt es natürlich „Beihilfen“. Selbst das Rechtsgutachten der Stadt kommt zu dem Ergebnis, dass „die von der Stadt Leuna zugunsten der WWL geplanten Kapitalmaßnahmen dem Beihilfebegriff des Artikel 117 Abs. 1 AEUV unterfallen und damit grundsätzlich unzulässig sind…“, also gegen EU-Recht verstoßen.

Trotzdem hält man am Vorgehen fest. Noch vor der Kommunalwahl. Die Angst vor dem neuen Stadtrat muss ziemlich groß sein.

Der Vollständigkeit halber, es handelt sich nicht nur um eine Maßnahme. Es geht nicht nur um 5 Millionen Sponsoring. Die WWL soll gleich noch ein paar Immobilien von der Stadt geschenkt bekommen. Wohnhäuser, zumeist in den Ortschaften der Aue. Nur ein paar wenige, nur schlappe 1,9 Millionen Euro sollen sie wert sein. Ach ja, und ein paar Garagen in Leuna für 300.000 Euro und die Grundstücke dazu.

Die Immobilien gehören bisher der Stadt und werden von der WWL verwaltet. Und weil man die Verwaltungskosten sparen will, schenkt man die Immobilie dem Verwalter.

Liebe Vermieter in Leuna, hier ein Tipp für Sie: Falls die Kosten für die Verwaltung Ihrer Immobilie zu hoch sein sollten, schenken Sie Ihre Immobilie einfach dem Verwalter. Schon entfällt die Verwaltungsgebühr. Die Stadt Leuna macht’s vor. Ein Erfolgsmodell!

Liebe Eigenheimbesitzer in Leuna, falls Ihnen der Aufwand für die ganze Abrechnerei zu viel wird (Grundsteuer, Strom, Wasser, Müll, Reparaturen…), suchen Sie sich einen Verwalter und schenken Sie ihm das Haus. Sie haben dann viel mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens.

Werbung in eigener Sache: Mit Immobilien kenne ich mich aus. Mein Angebot: Ich verwalte Ihre Immobilie, natürlich kostenfrei. Sie müssen sie mir vorher nur schenken.

Von Leuna lernen, heißt siegen lernen“. Oder so…

Udo Bilkenroth


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