Liebe Leunaer,
ursprünglich sollte die Überschrift „Fehler vom Amt – wie blöd sind wir eigentlich?“ lauten. Bei meiner Recherche stieß ich auf diesen Satz bester deutscher Amtsstubenprosa. Allerfeinstes Behördendeutsch. Der Liedermacher Reinhard Mey („…einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars…“) würde wahrscheinlich vor Ehrfurcht erstarren. Um so etwas formulieren zu können, bedarf es sicherlich jahrzehntelanger intensivster Übung in Beamtenmikado.
So ein Satz ist für die Ewigkeit und sollte das Portal eines Rathauses zieren. Vergoldete Lettern auf dunklem Granit.
Nun zum Thema. Ich hatte von der konstituierenden Sitzung des Stadtrates berichtet, besser von ihrer sehr spärlichen Wahrnehmung im Stadtanzeiger, und einige mögliche Gründe genannt. Nun gibt es eine weitere Erklärung. Eine offizielle. Eine von oben.
Das, was wir dort besprochen und gemacht haben, war für die Katz. Fehler vom Amt! Offenbar ist man in dieser Stadt nicht einmal in der Lage, die konstituierende Stadtratssitzung vorzubereiten und korrekt durchzuführen.
Nun musste, anders als in Thüringen, nicht das Landesverfassungsgericht angerufen werden. Dazu sind wir zu unbedeutend, zu sehr Provinz. Bei uns reicht der – allerdings mehrseitige – Hinweis der Unteren Kommunalaufsicht. Und schon dürfen wir den ganzen Spaß wiederholen. Die Wahlen (Stadtratsvorsitzender, 1. Stellvertreter, 2. usw.) wurden nicht richtig durchgeführt.
Wahl – kennen Sie doch: vorgefertigten Zettel nehmen, in die Wahlkabine gehen, Kreuz machen, Zettel falten, Zettel in Urne werfen, fertig. Ach ja… …aufs Ergebnis der Auszählung warten, sich dann freuen oder nicht. Eigentlich ziemlich simpel. Steht so im Gesetz und in Durchführungsverordnungen. Gibt’s auch in „leichter Sprache“.
Die Wahlkabine ist zu benutzen. Was ist daran nicht zu verstehen? Warum schaut man nicht, wie’s andere machen? Der Kreistag hat’s vorgemacht. Die Stadt Merseburg genauso.
Aber warum über den Tellerrand blicken? Wen interessiert der Kreistag? Und was in Merseburg gemacht wird, muss noch lange nicht in Leuna passieren.
Selbst der Hinweis eines Stadtrats während der Sitzung, die Wahlen richtig, geheim, also mit Kabine durchzuführen, wurde überhört, übersehen, ignoriert – aber, wir leben in Deutschland, protokolliert.
Nun haben wir den Salat. Alles auf null. Reset-Knopf drücken und Neustart. Fünf Monate umsonst gearbeitet (in Sitzungen gesessen)?
Die Kommunalaufsicht schreibt, kurz zusammengefasst, dass die Wahlen im Stadtrat unter Verletzung des Wahlgrundsatzes der geheimen Wahl erfolgten und die Beschlussfassung rechtswidrig ist. Dazu bedarf es natürlich mehrerer Schreiben. Insgesamt sind es 6 (offizielle), da die eigene Verwaltung den Fehler, wen wundert es, (erstmal) nicht eingesteht. Und natürlich braucht Leuna anwaltliche Beratung. Zig Seiten feinstes Behördendeutsch. Mein absoluter Favorit ist der Satz, den Sie als Überschrift gelesen haben. Ob Sie ihn verstehen, ist dabei zweitrangig.
Mit der Durchführung von Wahlen hat Leuna so seine Probleme. Man möchte viele Wähler zur Stimmabgabe bewegen. Und sie sollen auch noch die Richtigen wählen. Dies bedarf großen Engagements und Initiative. Dazu lockt den Wähler ins Lockal. Natürlich ohne Bier, selbiges gibt’s in der Kneipe, dem Lokal (ohne c ). Liebe Briefwähler, das habt ihr verpasst.
Es gibt Regeln und Gesetze. Beide nicht immer eindeutig. Dann entscheidet ein Gericht oder die höhere Instanz. Es gilt Rechtssicherheit herzustellen. Auf meine Nachfrage, ob nun alle bisher gefassten Beschlüsse, also auch zu den Satzungen, hinfällig seien, antwortete die Verwaltungsspitze mit einem klaren Nein.
Wer weiß, wer weiß… …wie lange noch.
Vielleicht sind Friedhofssatzung und Friedhofsgebührensatzung doch nicht ganz so rechtssicher, wie bislang angenommen. Die erstgenannte ist ganz gut, letztere eher nicht. Und da es um viel Geld geht, könnten die hinterbliebene Gebührenpflichtige oder der gebührenpflichtige Hinterbliebene durchaus auf den Gedanken kommen, die Rechtssicherheit der Satzung anzuzweifeln…
Und es gibt weitere Probleme, über deren Tragweite sich in der Kommunalaufsichtsbehörde wahrscheinlich niemand Gedanken gemacht hat.
Muss der damals gewählte und mit Blumen beschenkte Vorsitzende selbige zurückgeben, weil die Wahl ungültig ist? Da die florale Pracht mittlerweile verwelkt und entsorgt sein dürfte (natürlich biologisch korrekt auf dem Komposthaufen), käme die Rückgabe von 150 ccm Gartenerde als Ersatzleistung in Betracht?
Desweiteren stellt sich die Frage, wie mit der vom damals Gewählten ausgegebenen – mittlerweile längst verstoffwechselten – Getränkerunde zu verfahren ist. Werden gleichfarbige flüssige Ersatzleistungen in Form von …
Fragen über Fragen.
Udo Bilkenroth
PS: Buhmann ist natürlich nicht die Verwaltung, sondern der Kollege Stadtrat, der damals korrekt die Wahlkabine nutzte. Das Amt macht schließlich keine Fehler.
PPS: Kommen Sie am 30.10.2024 um 17.30 Uhr ins CCE und seien Sie live bei der Wiederholung der konstituierenden Sitzung des Stadtrats dabei. Das gibt’s wahrscheinlich nur einmal im Leben. Im Bonus-Programm dürfen Sie sogar mitmachen, bis zu 3 Fragen stellen oder kurze Statements abgeben. Der Eintritt ist frei.