Liebe Leunaer,
es ist Wahlkampf. Plakate hängen, Wahlwerbung wurde geschaltet, Flyer und Postkarten verteilt. Ich beobachte und kommentiere – sachlich, ein wenig zugespitzt, aber nicht neutral.
Im Hintergrund läuft die Maschinerie aktiver als man denkt. Es geht um einiges. Für die Friedensdorfer Kandidaten um einen ziemlichen finanziellen Aufstieg. Von Null auf Hundert natürlich nicht, aber von x auf Besoldungsstufe A16.
Um an die öffentlichen Honigtöpfe zu gelangen, muss man sich ins Zeug legen. Da ist es wichtig, die Beziehungen spielen zu lassen, an „höchst brisante“ Informationen über den Gegner zu kommen und diese vermeintlichen „Trümpfe“ zu gegebener Zeit auszuspielen.
Heute ein wenig Insider-Wissen aus dem Stadtrat. Viel erfahren Sie schließlich nicht im Leunaer Stadtanzeiger. Ich zitiere ein wenig aus den öffentlichen Sitzungsprotokollen. Nichts Geheimes, dennoch Unangenehmes.
Eigentlich gilt, dass Personalangelegenheiten und solche, die Mitglieder des Stadtrats betreffen, nur im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung behandelt werden. Natürlich hält man sich in Leuna – immer und gesetzestreu – an diese Regel. Außer es geht um missliebige Personen. Da gilt offenbar ein unveröffentlichter Sonderparagraph.
Im Hauptausschuss am 17.01.2022 gab es eine ziemlich umfassende Erläuterung zum verlorengegangenen Gerichtsstreit zwischen der Bürgermeisterin und Rüdiger Patzsch. Und zwar im öffentlichen Teil der Sitzung!
Offenbar von größter Neugierde geplagt, fragte Stadtrat und Bürgermeisterkandidat B. aus F., ob er denn die Prozessakten einsehen könne. Der Hauptamtsleiter, an den er die Anfrage richtete, reagierte etwas verdutzt. Ob er das denn wirklich wolle? Dazu eine Geste zur Aktenmenge – die Arme ausbreitend wie ein Angler, der vom Fang seines Lebens erzählt. Ja, er wolle, so der Kandidat. Den Telefonhörer gestikulierend, stimmte der Amtsleiter zu. Man müsse nur einen Termin ausmachen.
Ob dieses Angebots, ward die Begierlichkeit der Meute geweckt. Stadtrat W. wollte, Stadtrat E. ebenso, auch Stadträtin B. bekundete Interesse. Wären sie alle am Anfang des ganzen Rechtsstreits so wissbegierig gewesen, hätten sie den Steuer- und Gebührenzahlern einiges ersparen können.
Im Protokoll steht geschrieben: „Herr W. und Herr B. werden hierzu bei Herrn L. einen Termin vereinbaren und gemeinsam Akteneinsicht nehmen. Frau B. informiert, sich der Akteneinsicht ebenfalls anschließen zu wollen“. Verpasst hat das Protokoll leider den Namen des Stadtrats E., der sich, wie fast immer in irgendwelchen Sitzungen, auch hier den Worten seiner Vorredner anschloss und mitgucken will.
In der Stadtratssitzung am 27.01.2022 habe ich dem Neugierigen die Frage gestellt, ob die geforderte Einsicht in die Prozessakte schon erfolgt sei. Er antwortete, dass er so viel zu tun habe, die Akteneinsicht nun aber in der kommenden Woche erfolgen soll.
Jetzt schwante auch dem Amtsleiter, dass Unheilvolles auf ihn zukommen würde. Vielleicht war er mit seiner vollmundigen Ankündigung im Hauptausschuss etwas voreilig gewesen. Aber das kennen wir aus der großen Politik, heute so und morgen so. Im Hauptausschuss am 14.2.2022 gab er bekannt, dass „das Verfahren eine Personalangelegenheit sei, für die allein der Hauptverwaltungsbeamte zuständig ist, d. h. der Stadtrat hat hier keine Kontrollfunktion. Ein Akteneinsichtsrecht steht dem Stadtrat lediglich in den Sachen zu, wo er eine Kontrollfunktion hat. Deshalb kann aus materiell rechtlichen Gründen diesem Antrag nicht entsprochen werden“.
Und wie reagierte der Kandidat B. aus F.: „Er bringt sein Unverständnis zum Ausdruck…“- so der Protokolltext. Soll heißen: „er machte die beleidigte Leberwurst“.
Udo Bilkenroth
PS: Schauen Sie sich ruhig mal das Foto der Unterstützer des Kandidaten B. aus F. im Internet an. Gruppenbild ohne Dame. Die Überschrift könnte auch lauten: „Gemeinsam schnüffeln – wir wollen Akteneinsicht“.