Berater und Co.


Liebe Leunaer,

manchmal ist die Lokalpresse schneller als man glaubt. „Wo das Geld von Steuerzahlern hinfließt – Leuna: 2.259 Rechnungen haben externe Berater der Stadt in vier Jahren gestellt“ – so titelte die mz am 2. Dezember 2024.

Mittlerweile gibt es eine Druckversion und ein online-update. Die mz setzt offenbar auf Sensation statt auf Qualität. Schon der erste Satz in der Original-Internetausgabe war falsch „… in den letzten vier Jahren …“ 2019 bis 2024 sind schon mal 5 Jahre. Eine Legislatur des Stadtrats.

Die Druckversion vom 3. Dezember 2024 noch schlimmer: „Die Stadt Leuna zahlt von 2019 bis 2024 insgesamt 258.000 Euro an Externe“. Schön wärs! Liest man den Text mit den vielen Zahlen und rechnet zusammen, kommen die dort aufgeführten Einzelposten auf schlappe 347.200 Euro.

Dann rief ein flinker Linker bei der Zeitung an. Das führte zum…

Online-update am 3. Dezember 2024: „Gut 258.000 Euro hat die Stadt Leuna in der vergangenen Legislaturperiode von 2019 bis 2024 für externe Beratungsleistungen ausgegeben. Pro Jahr! Die Gesamtsumme, die nicht explizit genannt wurde, müsste sich also auf auf über eine Million Euro belaufen“. Den Rest kann ich nicht lesen – ich habe kein Online-Abonnement.

Reißerisch, den eigenen Fehler mit Ausrufezeichen kaschieren und vermeintliche Rechenkünste präsentieren: „… auf auf über eine Million …“.

Auf, auf zum fröhlichen Jagen … nach neuen Sensationen

Nun, die Zeitungsartikel hat jemand anderes geschrieben. Vielleicht sind verbale Schnellschüsse ohne Recherche mit nachfolgenden Korrekturen bei Journalisten heute normal. Jeder Artikel bringt Geld.

Ganz unschuldig bin ich aber nicht.

Im Sommer hatte ich einen Antrag verfasst, der seitens der Fraktion eingereicht wurde. Anlass war die Kritik des Präsidenten des Landesrechnungshofes Sachsen-Anhalt (CDU) an den ausufernden Beraterkosten unserer Landesregierung (CDU und andere). Wie steht es auf der Internetseite der Behörde: „der Rechnungshof ist ein unabhängiges Organ der Finanzkontrolle. Die Verschwendung öffentlicher Gelder zu verhindern, ist unser oberstes Ziel.

Aber wer interessiert sich schon für den Landesrechnungshof?

In Berlin werden Steuermillionen verb(e)raten, in Brüssel gibt es gar Berateraffären. Und in der Provinz? In Leuna?

Als Stadtrat bin ich verpflichtet, mein Ehrenamt nach meiner freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung auszuüben, die Ausführung von Beschlüssen zu überwachen und dafür zu sorgen, dass in der Verwaltung auftretende Missstände durch den Hauptverwaltungsbeamten beseitigt werden. Ich kann zur eigenen Unterrichtung in allen Angelegenheiten der Kommune und ihrer Verwaltung von dem Hauptverwaltungsbeamten Auskunft verlangen … und der Bürgermeister muss Auskunft erteilen. So steht‘s wortwörtlich, allerdings etwas verkürzt wiedergegeben, im Kommunalverfassungsgesetz.

Welcher Stadtrat hat das beachtet und von seinen Rechten (und Pflichten) Gebrauch gemacht? Naja… in Bezug auf die Ausgaben für Berater und Beratung offenbar keiner. Es hat 3 Monate gedauert bis der Kämmerer ans Mikrophon trat (treten musste) und in einem ungewöhnlichen langen Monolog die Ausgaben grob zusammenfassend darstellte. Selbst die knappe Zusammenfassung von 2.259 Gutachten- und Beratungsposten braucht eine gewisse Zeit. Gab es vorher vielleicht noch eine Beratung durch einen externen Berater?

Die antragstellende Fraktion, darf nun bis zur nächsten Stadtratssitzung Einsicht nehmen und die Einzelpositionen „unter die Lupe nehmen“.

Mit der enormen Anzahl hatte ich nicht gerechnet. Sie vielleicht? Wenn nicht, dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Die anderen Stadträte hatten auch keine Ahnung. Weder wieviel Gutachten es waren, noch wieviel sie gekostet haben. Nur zu fragen, traute sich bisher keiner. Man macht sich damit keine Freunde.

Was entnehmen wir aus den Äußerungen des Kämmerers? Leuna hat jedes Jahr im Durchschnitt knapp 259.000 Euro für externe Beratung ausgegeben. Der von mir angefragte Zeitraum war die letzte Legislatur des Stadtrates (2019 bis 2024), ergänzt um die Monate vor der Wahl 2019 bis Mitte November 2024 – also fast sechs Jahre, insgesamt mehr als 1,5 Millionen Euro.

Ich lese neben ausländischen Zeitungen auch den Videotext des MDR, meistens wegen es Wetterberichts. Da stand am Sonnabend: „Trotz steigender Mitarbeiterzahl hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr deutlich mehr für externe Berater ausgegeben…“ Die also auch. „Danach summierten sich die Beratungsausgaben der Regierung auf 816 Millionen Euro, gut 50 Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Den skurrilsten Posten gab es demnach bei Agrarminister C.Ö.: Er ließ sich für über 83.000 Euro beraten, wie er sich besser beraten lassen kann.

Die Regierung in Berlin ist zuständig für 84,7 Millionen Einwohner. Das macht bei 816 Millionen Euro ca. 9,60 Euro Beratungskosten pro Einwohner.

Leuna ist besser! 259.000 Euro geteilt durch 14.000 Leute = 18,50 Euro Beratungs-kosten pro Einwohner. Und da sage noch jemand, dass wir nichts drauf haben.

Mal sehen, was die Akteneinsicht bringt. Ich werde informieren.

Udo Bilkenroth

PS: Falls Sie über einen Berufswechsel nachdenken sollten, wie wäre es mit … Berater. Angebote finden Sie in Ihrem Jobcenter. Da werden Sie geholfen.


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