Stadtfest und Wahlkampf


Liebe Leunaer,

bald ist es soweit, bald sind Kommunalwahlen. Leuna wird bunter. Kleine Plakate, große Plakate, riesige Plakate. Letztere meistens rot und fast immer mit einem Glatzkopf. Wenn man genau hinschaut, sind es verschiedene Herren, jedoch stets die gleiche Frisur. Ein Markenzeichen?

Jede Partei hat ihre Botschaften. Was sie will, was sie nicht will. Plakate sollen wirken – eben plakativ sein (betont auffällig, einprägsam). Dafür werden Werbeagenturen engagiert, Psychologen und Kommunikationswissenschaftler beschäftigt. Wahlwerbung ist richtig teuer für die jeweilige Partei.

Es muss auch anders gehen. Und im Rathaus hatte jemand eine geniale Idee.

In diesem Jahr müssen die Einwohner der Kernstadt auf das Fest im Plastikpark verzichten. Warum das so ist, hat das Stadtoberhaupt sehr ausführlich im eigenen Mitteilungsblatt, dem Stadtanzeiger, verkündet, irgendwann im letzten Jahr. Wir aus der Kernstadt verzichten bestimmt gern darauf, besonders gern, wenn Majestät es wünschen. Der Zustimmung im Stadtrat durfte sie sich sicher sein.

Ab jetzt gibt es ein Sommerfest der Stadt Leuna. Hurra! Und wo feiern wir das erste Sommerfest? Natürlich in… einer anderen Stadt, in Bad Dürrenberg.

Vielleicht wird das nächste Kötzschauer Dorffest in Zöschen abgehalten, dafür das traditionelle Zöschener Kuchenessen in Kreypau…  Nein, lieber in der Kernstadt, denn der Kuchen ist wirklich gut.

Das Ganze könnte man ggf. noch in die Rubrik „nicht optimal kommuniziert“ einordnen, wäre da nicht… der Wahlkampf.

Das Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit wurde eingespannt und verschickte die „Einladung zum Sommerfest der Stadt Leuna“. „Das Wochenende wird von einem abwechslungsreichen und unterhaltsamen Programm für die ganze Familie geprägt sein“ steht dort. Das Stadtoberhaupt plant „im Vorfeld der Europawahl … einen Politischen Talk auf der Kleinen Bühne an der Weinlaube…“. „Gemeinsam mit der Spitzenkandidatin der CDU … “ möchte unser Stadtoberhaupt „auf wichtige Themen aufmerksam machen“. „Dabei werden die Arbeit im Europäischen Parlament …“ und die „Regionalpolitik eine Rolle spielen“. Er würde sich „sehr freuen, wenn [Name des jeweils angeschriebenen Politikers] und Vertreter der regionalen Politik an unserem Talk beteiligen würden“.

Es hat schon ein „Geschmäckle“, wenn das Stadtoberhaupt mit seiner Parteifreundin von der CDU über Europa und mit den Kreistagskandidaten, zufälligerweise aus der gleichen Partei, so ganz neutral über Regionalpolitik talken möchte.

Wer geht schon freiwillig zum Parteitag der Sachsen-Anhalt-Partei?

Die Frage: Wie bekommt man möglichst viele Zuschauer auf die eigene Wahlkampfveranstaltung und macht aus ihnen Wähler?

Die Antwort: viel Werbung, bezahlt aus der Stadtkasse; Freikarten für die LAGA, bezahlt aus der Stadtkasse; die große Show, bezahlt aus der Stadtkasse… Natürlich muss auch das C der Union seinen Platz haben. Während des Sommerfestes findet ein christlicher Gottesdienst statt.

Und die Krönung des Ganzen wird das Gespräch seiner Majestät mit politisch Gleichgesinnten auf der kleinen Bühne sein. Wieso eigentlich nur die kleine Bühne? Die große sollte es sein!

Die Krönungsveranstaltung wird leider nicht stattfinden.

Ich bedauere es, dass ich Ihnen heute hiermit mitteile, dass die Veranstaltung abgesagt wird. Ein hölzerner Satz, der wohl schweren Herzens geschrieben wurde (Quelle kann beim Autor angefragt werden).

Also liebe Leunaer, auf zur LAGA. Ganz ohne verordneten Polittalk. Genießen Sie den Aufenthalt, freuen Sie sich an der Bepflanzung und am Unterhaltungsprogramm.

Sie sind nicht auf einer Wahlparty der CDU.

Sie müssen niemandem für die Einladung danken.

Sie haben zwar eine „Freikarte“ bekommen, bezahlt haben Sie diese aber trotzdem – mit Ihren Steuern, Straßenausbaubeiträgen, Gebühren, Umlagen, Abgaben etc. Danke, liebe Leunaer.

Udo Bilkenroth

PS: Die allzu offensichtliche parteipolitische Vereinnahmung des Sommerfestes wurde von der Kommunalaufsicht gestoppt. Der kommunale Hauptverwaltungsbeamte ist per Gesetz zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Es gilt die Pflicht, dem ganzen Volk und nicht einer Partei zu dienen. Leider wird dies viel zu häufig vergessen. Ich empfehle eine 5-seitige detaillierte Zusammenfassung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtags von Sachsen-Anhalt aus dem Jahre 2021 zum Thema (frei im Internet zugängig).

PPS: Und nun stellen Sie sich einmal vor, die AfD hätte eingeladen… Die Presse würde sich überschlagen: „Sommerfest für parteipolitische Massenbeeinflussung missbraucht … Hetze und Hass auf der Landesgartenschau …“ Staats- und Verfassungsschutz hätten Sonderschichten einlegt. Busse voller antifanten und Omas gegen irgendwas wären herangekarrt worden, Hundertschaften von Polizisten, usw.

Bloß gut, dass es nur die CDU war. Nicht einmal der Reporter der Lokalzeitung hat etwas davon mitbekommen.


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